Chronik
1732
Haydn wird (wahrscheinlich) am 31.3. in Rohrau an der Leitha in Niederösterreich geboren und (aktenmäßig belegt) am 1.4. auf den Namen Franz Joseph getauft (seinen ersten Vornamen verwendet er später fast nie). Er ist das zweite von insgesamt zwölf Kindern; nur drei seiner Schwestern und zwei seiner Brüder überleben das Kindesalter. Sein Vater Mathias Haydn ist als Wagnermeister und ab 1741 als Marktrichter in dem kleinen, kaum 50 Häuser zählenden Ort nahe der österreichisch-ungarischen Grenze tätig, seine Mutter Anna Maria Haydn, geb. Koller, arbeitete vor ihrer Ehe als Küchenangestellte in Diensten des Grafen Karl Anton von Harrach auf dessen Schloss in Rohrau.
Haydn wächst in ländlicher Gegend und von Handwerker- und Bauerntraditionen geprägten Verhältnissen auf. Erste musikalische Eindrücke erhält er in der Familie: Sein Vater hat sich in der Zeit als wandernder Handwerksgeselle das Harfenspiel angeeignet und begleitet damit häuslichen Liedgesang.
1737
Vermutlich am 14.9. wird Johann Michael Haydn geboren, der ebenfalls ein berühmter Komponist wird.
Joseph kommt als Fünf- oder Sechsjähriger zur schulischen Ausbildung nach Hainburg zu einem Verwandten, dem Schulrektor Johann Mathias Franck. Dieser ist zugleich Chorregent und Messner und erteilt Haydn auch Musikunterricht.
1739/1740
Haydn singt dem Wiener Domkapellmeister Georg Reutter d. J. bei dessen Besuch in Hainburg vor und wird von ihm als neuer Sängerknabe in die Domkapelle aufgenommen. Er trifft spätestens im Sommer 1740 in Wien ein und lebt für acht Jahre mit fünf anderen Chorknaben im Kapellhaus von St. Stephan in Wien. Er erhält eine gediegene schulische und musikalische Ausbildung und unternimmt erste kompositorische Versuche. Ob seine früheste Messe (F-Dur, Hob. XXII:1) schon auf die Zeit im Kapellhaus zurückgeht, ist umstritten.
um 1745
Auch der jüngere Bruder Michael wird Sängerknabe an St. Stephan.
um 1747–1749
Nach dem Stimmbruch wird Haydn aus der Kapelle entlassen. Er bezieht als Untermieter des an der Michaelerkirche tätigen Tenors Johann Michael Spangler eine Dachstube im Großen Michaelerhaus (Wohnstätten). Im selben Haus wohnen der kaiserliche Hofpoet Pietro Metastasio sowie die verwitwete Fürstin Maria Octavia Esterházy, die Mutter von Haydns späteren Dienstherren, den Fürsten Paul Anton und Nikolaus Esterházy.
1750/1751
Durch Vermittlung Metastasios wird Haydn Klavier- und Gesangslehrer der ebenfalls im Michaelerhaus wohnenden, etwa zehnjährigen Marianna von Martines. Als Entlohnung wird Haydn freie Kost bei der Familie gewährt; seinen Lebensunterhaltbestreitet er darüber hinaus durch Unterrichten weiterer Schüler. (Das Unterrichten, vor allem in der Komposition, wird bis ins hohe Alter eine wichtige und fast kontinuierliche Beschäftigung Haydns bleiben.)
um 1753
Wohl ebenfalls durch Metastasio lernt Haydn den italienischen Komponisten Nicola Porpora kennen, der ihn als Kammerdiener und Klavierbegleiter seiner Gesangsschülerinnen anstellt und durch den Haydn nach eigenen Angaben »die ächten Fundamente der sezkunst« erlernt.
Vermutlich entstehen in dieser Zeit verschiedene Divertimenti und Streichtrios, auch eine fünfstimmige Cassation (möglicherweise Hob. II:2). Im Auftrag des Wiener Komödianten Joseph Felix von Kurz (genannt Bernardon) schreibt Haydn die Musik zu dessen Zauberposse Der krumme Teufel.
1754
Am 23.2.1754 stirbt Haydns Mutter Anna Maria in Rohrau. Haydn wirkt in diesem und den folgenden beiden Jahren während der Fastenzeit und der Karwoche als Sänger bei Gottesdiensten in der Hofkapelle mit und spielt zudem als Geiger auf mehreren Hofbällen; vielleicht hängt damit die Komposition der frühesten Tänze zusammen. An Sonn- und Feiertagen ist er offenbar regelmäßig als Geiger in der Kirche der Barmherzigen Brüder und Organist in der Kapelle von Graf Friedrich Wilhelm Haugwitz tätig, außerdem als Sänger im Stephansdom.
1755
Haydns Vater Mathias heiratet wieder. Der Ehe mit Maria Anna Seeder entstammen fünf Kinder, von denen jedoch keines das Kindesalter überlebt. Joseph Haydn verliebt sich in eine seiner Schülerinnen, Therese Keller, die jedoch 1755 als Novizin in den Wiener Clarissenorden eintritt.
1756
Zur Profess von Therese Keller am 12.5. komponiert Haydn nach eigenen (widersprüchlichen) Angaben entweder das Konzert für Orgel und Violine (Hob. XVIII:6) oder das Orgelkonzert in C-Dur (Hob. XVIII:1; Klavier- und Orgelkonzerte). Im selben Jahr entsteht das Salve Regina in E-Dur (Hob. XXIIIb:1). Mitte der 1750er Jahre lädt Karl Joseph Weber Edler von Fürnberg Haydn für zwei Monate auf sein bei Wieselburg gelegenes Schloss Weinzierl in Niederösterreich ein. Dort entstehen Haydns erste Streichquartette.
1757
Vermutlich in diesem Jahr wird Haydn Musikdirektor bei einem Grafen Morzin, der den Winter in Wien verbringt, den Sommer aber in Böhmen auf seinem in der Nähe von Pilsen gelegenen Schloss zu Lukavec (Dolní Lukavice). Im Dienst des Grafen komponiert Haydn seine ersten Sinfonien. Haydns frühe Streichtrios, -quartette, Cassationen, Sinfonien und Klaviersonaten finden in Abschriften rasche Verbreitung.
1760
Haydn heiratet am 26.11. im Wiener Stephansdom Maria Anna Aloisia Apollonia Keller, eine ältere Schwester Thereses. Die Ehe bleibt kinderlos; Aussagen Haydns zufolge ist sie nicht glücklich.
1761
Haydn wird (nachdem Graf Morzin seine Musikkapelle aufgrund finanzieller Schwierigkeiten auflösen musste) am 1.5. Vizekapellmeister bei Fürst Paul Anton Esterházy. Er tritt damit in den Dienst einer der wohlhabendsten und einflussreichsten Familien der Donaumonarchie. Der Fürst residiert in Eisenstadt, besitzt aber auch ein Palais in Wien. Haydn wird für ein Jahresgehalt von zunächst 400 Gulden, Kostgeld bzw. Offizierstafel, Ausstattung mit einer Sommer- und Winteruniform sowie einer Zulage von 200 Gulden als Vizekapellmeister im Rang eines Hausoffiziers angestellt. Dem Titel nach ist er dem Oberkapellmeister Gregor Joseph Werner unterstellt, de facto leitet dieser jedoch nur noch die Kirchenmusik; für die Kammer- und Theatermusik ist Haydn allein verantwortlich. Zu seinen Aufgaben gehören die musikalische Ausbildung der angestellten Sängerinnen, die Aufsicht über Noten und Instrumente sowie vor allem die Komposition neuer Werke. Es ist ihm untersagt, diese an Dritte weiterzugeben oder ohne ausdrückliche Zustimmung des Fürsten Kompositionen für andere Auftraggeber anzufertigen. In den nächsten Jahrzehnten komponiert Haydn, ganz nach den jeweiligen Bedürfnissen des Hofes, für die verschiedensten musikalischen Gattungen, zunächst vor allem Kammermusik und Sinfonien, später kommen Kirchenmusik und Bühnenwerke hinzu. Mit den 1761 komponierten »Tageszeiten-Sinfonien« (Hob. I:6–8) und verschiedenen zwischen 1761 und 1765 entstandenen Konzerten trägt Haydn den virtuosen Fähigkeiten der Orchestermitglieder Rechnung.
1762
Fürst Paul Anton Esterházy stirbt am 18.3. in Wien; sein jüngerer Bruder Nikolaus Esterházy tritt die Nachfolge an und zieht am 17.5. feierlich in Eisenstadt ein. Am 5.7. bestätigt er die mit Haydn und den anderen Musikern geschlossenen Verträge. Der musikkundige, Violine und Baryton spielende Fürst erweitert im Laufe der Jahre das Orchester auf 25 Musiker (1780).
1763
Am 10.1. heiratet der älteste Sohn des Fürsten Nikolaus, Graf Anton, in Wien Gräfin Maria Theresia Erdődy. Aus diesem Anlass komponiert Haydn die Festa teatrale Acide, seine erste italienische Oper. Ebenfalls anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten entsteht die (verschollene) Kantate »Vivan gl’illustri sposi« (Hob. XXIVa:1). Im Sommer des Jahres schreibt Haydn die Musik zur Commedia La marchesa Nespola. Zum Namenstag des Fürsten komponiert er die Kantate »Destatevi o miei fidi« (Hob. XXIVa:2). Der Leipziger Verleger Johann Gottlob Breitkopf offeriert in seinen Katalogen von diesem Jahr an regelmäßig Abschriften von Instrumentalwerken Haydns.
Am 12.9. stirbt Haydns Vater in Rohrau.
1764
Fürst Nikolaus reist im Frühjahr als kurböhmischer Botschafter zur Wahl und Krönung Josephs II. zum Römischen König nach Frankfurt am Main. Hier beeindruckt sein prachtvolles Auftreten den jungen Johann Wolfgang von Goethe, der 1811 im ersten Teil seiner Autobiographie Dichtung und Wahrheit das Bonmot vom »Esterházyschen Feenreich« prägt. Zur Rückkehr des Fürsten komponiert Haydn die Kantate »Da qual gioia improvvisa« (Hob. XXIVa:3). Die Monate Juli bis September sowie Ende Oktober bis kurz vor Weihnachten verbringen die Hofmusiker anscheinend im Esterházyschen Schloss Kittsee in der Nähe von Pressburg. Haydn reist nach Rohrau, wo er sich um den Nachlass seines Vaters kümmert. In rascher Folge erscheinen in Paris, ab 1765 auch in Amsterdam, ab 1771 in Berlin und spätestens ab 1772 in London Drucke Haydnscher Instrumentalwerke. Sie basieren auf Abschriften und sind nicht von Haydn autorisiert.
1765
Im Oktober beschwert sich Kapellmeister Werner in einer Klageschrift bei Fürst Nikolaus darüber, dass Haydn Unordnung habe einreißen lassen – sowohl hinsichtlich der Aufbewahrung der Instrumente und Musikalien als auch der Disziplin der Musiker. Haydn erhält hierauf am 3.11. durch den ihm vorgesetzten Güterregenten Peter Ludwig Rahier einen Tadel des Fürsten (»Regulatio Chori KissMartoniensis«), in welchem er auch ermahnt wird, mehr für das Baryton, das Lieblingsinstrument des Fürsten, zu komponieren. In den nächsten zehn Jahren schreibt Haydn u.a. 126 Trios für Baryton, Viola und Violoncello. Vermutlich ebenfalls als Reaktion auf den Tadel legt Haydn den Entwurfkatalog an. Der jüngste Bruder, Johann Evangelist Haydn, der zunächst den Beruf seines Vaters ergriffen hatte, kommt nach Tätigkeit als Tenor an St. Stephan in Wien spätestens 1765 nach Eisenstadt. Hier wird er – zunächst unentgeltlich, später mit geringem Gehalt – Tenor in der Kirchenmusik.
1766
Am 3.3. stirbt Gregor Joseph Werner. Haydn rückt zum Kapellmeister auf und übernimmt auch die Leitung der Kirchenmusik. An geistlicher Musik komponiert er Adventsarien sowie Kyrie und Gloria der später (um 1773?) erweiterten Missa Cellensis in honorem B.V.M. ( »Cäcilienmesse«). Am 2.5. erwirbt er in Eisenstadt ein Haus. Das Intermezzo La canterina wird, vermutlich zum Namenstag der Fürstin Maria Anna Esterházy, der Witwe des Fürsten Paul Anton, am 26.7. uraufgeführt. 1766 wird das Hauptgebäude des Schlosses in Eszterháza (Fertőd) fertiggestellt. Fürst Nikolaus hat hier das ehemalige Jagdschloss Süttőr in eine prachtvolle Anlage umbauen lassen, was dem Schloss in einer zeitgenössischen Reisebeschreibung den Titel »petit Versailles de l’Hongrie« einträgt. Bis 1784 wird es ständig erweitert, neben einer Gemäldegalerie und einem chinesischen Ballsaal entstehen auch ein Opernhaus und ein Marionettentheater. Statt in Eisenstadt residiert der Hof nun über einen immer längeren Teil des Jahres in Eszterháza. Haydn wohnt ab 1769 vom Frühjahr bis zum Herbst im Musikerhaus innerhalb des Schlossbezirks – als einer der wenigen Musiker gemeinsam mit seiner Frau; die Familien der meisten anderen Musiker müssen auf Anordnung des Fürsten in Eisenstadt bleiben. In den Wintermonaten hält sich der Hof in Eisenstadt oder Wien auf. Im Oktober 1766 erscheint im Wiener Diarium anonym der Artikel Von dem Wienerischen Geschmack in der Musik, in dem Haydn gegen Vorwürfe norddeutscher konservativer Kritiker verteidigt wird. Als Autor wird meist Carl Ditters von Dittersdorf angesehen, der mit Haydn seit den 1750er Jahren befreundet ist.
1767
Haydn komponiert das Stabat Mater, das ihm europaweiten Ruhm einbringt. Er sendet es an Johann Adolf Hasse, der sich nach Haydns eigenem Zeugnis anerkennend äußert. Ein Jahr nach der ersten Aufführung in der Eisenstädter Schlosskapelle wird es vermutlich auch in der Kirche der Barmherzigen Brüder in Wien aufgeführt. In den folgenden Jahren entstehen an weiterer Kirchenmusik die »Große Orgelsolomesse«, die »Nikolaimesse« und die »Kleine Orgelmesse«.
1768
Im Stift Zwettl wird am 17.4. der Applausus uraufgeführt, den Haydn für ein Honorar von 100 Gulden zum Professjubiläum des Abtes komponiert hat. Da Haydn nicht zugegen sein kann, gibt er in einem ausführlichen Begleitbrief Anweisungen an die Musiker, die für die Aufführungspraxis seiner Musik generell aufschlussreich sind. Bei einem Großbrand in Eisenstadt wird in der Nacht vom 2. auf den 3.8. auch Haydns Haus zerstört. Das Feuer vernichtet wohl einige Werke, die im Entwurfkatalog aufgeführt, aber heute verschollen sind, darunter italienische Musikkomödien und Klaviersonaten. Fürst Nikolaus bezahlt den Wiederaufbau des Hauses. Im Herbst wird, wahrscheinlich mit der Uraufführung des Dramma giocoso Lo speziale auf ein Libretto von Carlo Goldoni, das Opernhaus in Eszterháza eingeweiht.
1769
Um neue Sängerinnen zu engagieren, fährt Haydn im Frühjahr für fünf Tage nach Pressburg. Vermutlich entstehen in diesem Jahr die sechs Streichquartette op. 9.
1770
Anlässlich der Hochzeit von Gräfin Maria Theresia Lamberg, einer Nichte des Fürsten, mit Graf Alois Poggi (Pocci) findet in Eszterháza am 16.9. die erste nachweisbare Aufführung von Le pescatrici statt, einem weiteren Dramma giocoso auf ein Libretto von Goldoni. Erstmals treten dabei neben deutschen auch italienische Sängerinnen und Sänger in einer Oper Haydns auf.
1771
Haydn erkrankt schwer an »hitzigem Fieber« (Griesinger, S. 27). Die Krankheit ist offenbar so ernst, dass Michael Haydn, seit 1763 Konzertmeister am Hof des Erzbischofs von Salzburg, Urlaub erhält, um den Bruder zu besuchen. Zum Dank für seine Genesung komponiert Haydn möglicherweise das Salve Regina in g-Moll (Hob. XXIIIb:2). Am Karfreitag leitet er eine groß besetzte Aufführung des Stabat Mater in der Kirche Maria Treu des Piaristenklosters in Wien. Die sechs Streichquartette op. 17 entstehen.
1772
Die Schauspieltruppe des berühmten Carl Wahr gastiert in diesem und den nächsten vier Jahren regelmäßig in Eszterháza. Ihr Repertoire ist literarisch anspruchvoller als das anderer Wanderbühnen und umfasst u.a. Lessings Emilia Galotti und Miß Sara Sampson, Goethes Clavigo sowie Shakespeares Hamlet, Macbeth, Othello und König Lear. Ignaz Pleyel wird nach Studien bei Johann Baptist Vanhal Kompositionsschüler von Joseph Haydn, bei dem er auch wohnt. Graf Ladislaus Erdődy, der die Kosten für Pleyels Ausbildung und Aufenthalt übernimmt, schenkt Haydn zum besonderen Dank zwei Pferde und eine Kutsche. Komposition der sechs Streichquartette op. 20 (»Sonnenquartette«). Mit der »Abschiedssinfonie« Hob. I:45 veranlasst Haydn, einer von ihm selbst erzählten Anekdote zufolge, den Fürsten zur Beendigung des in diesem Jahr länger ausgedehnten Aufenthalts in Eszterháza und der damit einhergehenden Trennung der Musiker von ihren Familien.
1773
Zum Namenstag der verwitweten Fürstin Maria Anna von Esterházy wird am 26.7. Haydns Burletta L’infedeltà delusa in Eszterháza uraufgeführt. Sie wird am 1.9. anlässlich des Besuchs der Kaiserin Maria Theresia wiederholt; am 2.9. findet aus demselben Anlass die Uraufführung der Marionettenoper Philemon und Baucis statt, mit der das Marionettentheater in Eszterháza eröffnet wird. Haydn komponiert in den nächsten Jahren noch weitere, heute verschollene Stücke für das von Karl Pauersbach konstruierte Marionettenspiel. In Nachfolge des am 25.8 verstorbenen Organisten Franz Novotni übernimmt Haydn in den Wintermonaten den Organistendienstin der Eisenstädter Schlosskapelle; in den Sommermonaten versieht der Schlossschulmeister Joseph Dietzl diese Aufgabe.
1774
In Wien erscheint bei Kurzböck mit den sechs Klaviersonaten Hob. XVI:21–26 die erste (und bis 1780 einzige) autorisierte Ausgabe eines Werks von Haydn. Sie ist Fürst Nikolaus Esterházy gewidmet.
1775
Am 2. und 4.4. dirigiert Haydn im Wiener Kärntnertortheater die ersten Aufführungen seines Oratoriums Il ritorno di Tobia, das er für die Wiener Tonkünstler-Societät komponiert hat. Die Solisten bringt er auf Kosten des Fürsten Nikolaus aus Eszterháza mit. In Anwesenheit Erzherzog Ferdinands und seiner Gattin Maria Ricciarda Beatrice d’Este wird am 29.8. L’incontro improvviso in Eszterháza uraufgeführt.
1776
Der Fürst richtet sein Interesse verstärkt auf die Oper. Sieben neue Sängerinnen und Sänger werden engagiert und ein regelmäßiger Opernbetrieb aufgenommen. Zwei bis drei Mal pro Woche werden vorwiegend italienische Opern des komischen Genres aufgeführt (an anderen Tagen Schauspiele von gastierenden Theatertruppen). Haydn als Opernkapellmeister obliegt die Einrichtung und Einstudierung der Werke; offenbar sorgt er oft auch für die Bühnenmusik bei Schauspielen. Allerdings ist nur eine seiner Schauspielmusiken aus dieser Zeit bekannt, für Jean-François Regnards Lustspiel Der Zerstreute (Le distrait), überliefert als Sinfonie Hob. I:60 (»Il distratto«). Am 17.7. wird Eisenstadt erneut durch einen Großbrand zerstört. Wieder ist auch Haydns Haus in Mitleidenschaft gezogen, und abermals bezahlt Fürst Nikolaus den Wiederaufbau.
1777
Für die Wiener Faschingsbälle in den Redoutensälen der k.k. Hofburg komponiert Haydn zwölf Menuette. Im Juli reist die Esterházysche Kapelle auf Wunsch Kaiserin Maria Theresias nach Wien, um im Schloss Schönbrunn u.a. zwei Marionettenopern aufzuführen, Haydns verschollenen Hexenschabbas und Carlo d’Ordonez’ Alceste. Anlässlich der Hochzeit des zweiten Sohnes von Fürst Nikolaus Esterházy, Graf Nikolaus, mit Maria Anna Franziska Gräfin Ungnad von Weißenwolff, einer Nichte der Fürstin, wird in Eszterháza im Sommer Haydns Dramma giocoso Il mondo della luna uraufgeführt.
1778
Im Laufe des Jahres bemüht sich Haydn um Mitgliedschaft bei der Wiener Tonkünstler-Societät. Als man ihn hierfür zur Komposition verschiedener Werke verpflichten möchte, zieht er das Gesuch am 4.2.1779 zurück.
1779
Zum 1.1. erhält Haydn einen neuen Dienstvertrag. Darin ist die Bestimmung, nach der er nicht ohne Genehmigung des Fürsten andere Kompositionsaufträge annehmen darf, nicht mehr enthalten. In den nächsten Jahren tritt Haydn in Kontakt mit Verlegern in Wien, Paris und London, um seine Musik zielstrebig zu vermarkten. Im März werden der Geiger Antonio Polzelli und seine Frau Luigia für die Hofkapelle engagiert. Die Sopranistin, die bis auf die Silvia in der Oper L'isola disabitata nur zweite und dritte Rollen singt, wird Haydns Geliebte. Er komponiert für sie mehrere Einlagearien, unterstützt sie später auch finanziell und stellt ihr in Aussicht, sie nach dem Tod seiner Frau zu heiraten. Möglicherweise ist Haydn der Vater von Luigias zweitem Sohn Anton Polzelli. Im Frühjahr wird das Dramma giocoso La vera costanza in Eszterháza uraufgeführt. Das Opernhaus in Eszterháza wird am 18.11. durch einen Brand vollständig vernichtet, ein Ereignis, das auch überregional in Zeitschriften Beachtung findet. Aufführungsmaterial mehrerer Opern wird vernichtet, darunter auch Partitur und Stimmen von La vera costanza, so dass Haydn das Werk für eine Wiederaufführung 1785 rekonstruieren bzw. neu komponieren muss. Das Opernensemble spielt nach dem Brand auf der vergrößerten Bühne des Marionettentheaters; so hat dort am 6.12., dem Namenstag des Fürsten, Haydns Azione teatrale L'isola disabitata Premiere. Bereits am 18.12. wird der Grundstein zum neuen Opernhaus gelegt.
1780
Bei Artaria in Wien erscheinen die sechs Klaviersonaten (Hob. XVI:20, 35–39) mit einer Widmung an die Schwestern Auenbrugger. Die Sonaten sind teils schon älter, teils aber wohl eigens für diese Ausgabe komponiert. Mit ihr beginnt die Reihe authentischer Erstdrucke bei Artaria, der einer von Haydns Hauptverlegern wird. Trotz des aufwändigen Wiederaufbaus des Opernhauses finden über 90 Aufführungen statt. Auch in den folgenden Jahren steht der Opernbetrieb in Eszterháza in voller Blüte. Die Saison dauert nun meist von Februar bis Ende November oder Anfang Dezember. Neben Haydn zeichnen Pietro Travaglia als Bühnenbildner, Nunziato Porta als Bearbeiter der Textbücher und mit der Aufsicht über die Kostüme verantwortlich. Im Repertoire sind Werke von Pasquale Anfossi, Giuseppe Gazzaniga, Giuseppe Sarti, Giovanni Paisiello, Domenico Cimarosa u.a. Haydn schreibt in den 1780er Jahren drei neue Opern, La fedeltà premiata, Orlando Paladino und Armida. Sie finden in stärkerem Maße als seine früheren auch außerhalb von Eszterháza Verbreitung, allerdings oft in deutscher Übersetzung und mit gesprochenen Dialogen anstelle der Secco-Rezitative.
Die Philharmonische Akademie von Modena ernennt den längst auch in Italien berühmten Haydn zu ihrem Mitglied.
1781
Zur Eröffnung des neuen Opernhauses wird am 25.2. das Dramma giocoso La fedeltà premiata uraufgeführt. Aufgrund der verlängerten Opernsaison beschließt der Fürst am 9.4., dass das Kirchenmusik-Ensemble in der Eisenstädter Schlosskapelle fortan auch im Winter vom Thurnermeister (dem bei der Stadt angestellten Türmer) und seinen Gesellen unterstützt wird, welche seit 1775 diese Funktion bereits im Sommer übernehmen. In der ersten Jahreshälfte sendet Haydn eine mit Widmung versehene Partitur von L’isola disabitata an den Prinzen von Asturien, den späteren spanischen König Karl IV., und erhält zum Dank eine mit Brillanten besetzte goldene Tabaksdose. Haydn erteilt der russischen Großfürstin Maria Feodorowna, geb. Prinzessin Sophie Dorothea von Württemberg, während ihres Besuchs in Wien zwei Unterrichtsstunden, den Angaben Griesingers zufolge »über eine seiner Kompositionen«. Die Gattin des späteren Zaren Paul I. veranstaltet am 26. Dezember ein großes Privatkonzert, bei dem vermutlich eines der neu komponierten Streichquartette op. 33 durch Luigi Tomasini, Franz Asplmayr, Joseph Weigl und Thaddäus Huber gespielt wird. Noch im selben Jahr erscheinen die Quartette, ebenso wie die erste Folge der zwölf deutschen Lieder, bei Artaria. Haydn vertreibt noch vor der Drucklegung selbst Abschriften der Quartette; er bewirbt sie mit mehreren gleichlautenden Briefen, in denen er sie als »auf eine gantz neue besondere art« geschrieben bezeichnet. Haydn knüpft in den folgenden Jahren immer mehr Beziehungen ins Ausland. Bei William Forster in London erscheint eine autorisierte Ausgabe der Sinfonie Hob. I:74; dank der äußerst erfolgreichen Aufführung der Sinfonie Hob. I:53 (»L’Impériale«) in den Londoner Bach-Abel-Konzerten bemühen sich in den nächsten Jahren weitere Konzertunternehmer um Haydn. So versucht etwa Willoughby Bertie, Earl of Abingdon, Haydn für zwölf Konzerte im Rahmen seiner »Hanover Square Grand Concerts« zu gewinnen. Sein Schwager, der Impresario Giovanni Andrea Battista Gallini, tritt 1783 mit Haydn über die Komposition einer Oper in Verhandlung. Trotz der zahlreichen geschäftlichen Kontakte fühlt Haydn sich in Eszterháza zunehmend isoliert und gibt diesem Gefühl erstmals am 27.5.1781 in einem Brief an Artaria Ausdruck, in welchem er seinen »Aufenthalt auf dem Lande« als sein »Unglück« bezeichnet.
1782
Haydn komponiert die »Mariazellermesse« für den Wiener Militärbeamten Anton Liebe von Kreutzner. In Eszterháza wird zum Namenstag des Fürsten Orlando paladino uraufgeführt. Artaria erhält von Haydn Ouvertüren zu fünf seiner Opern und zu Il ritorno di Tobia, die als sechs Sinfonien im Druck erscheinen. Sinfonien Haydns werden fortan meist in Dreier- oder Sechsergruppen veröffentlicht, so etwa die drei 1782 komponierten Werke Hob. I:76–78. Sie sind die ersten Sinfonien dieser Zeit, die Haydn für eine Öffentlichkeit außerhalb des Esterházyschen Hofs konzipierte: Er ließ sie zunächst in Abschriften verbreiten und bot sie dann parallel Torricella in Wien, Forster in London und Boyer in Paris an. Sie erschienen dann 1784 bzw. 1785 im Druck.
1783
Über einen Agenten schließt Haydn am 20. Oktober einen Vertrag mit der Gräfin-Herzogin von Benavente-Osuna über die Lieferung von Werken nach Spanien. Vielleicht mit Ausnahme einiger kleiner (nicht identifizierbarer, möglicherweise verschollener) Streichquartette, die Haydn in einem Brief an Artaria vom 5.4.1784 erwähnt, handelt es sich nicht um neue, sondern um bereits fertige Werke.
1784
Mit Armida wird am 26.2. Haydns letzte Oper für Eszterháza uraufgeführt. Vermutlich in der ersten Hälfte des Jahres stellt Haydn ein Verzeichnis aller bis dahin in Eszterháza gespielten Werke zusammen und nennt dabei 73 Opern und fünf Marionettenopern inklusive seiner eigenen. Im März beendet er die zweite Folge der zwölf deutschen Lieder, bei deren Textauswahl ihn der Wiener Hofrat Franz Sales von Greiner, Vater der Schriftstellerin Caroline Pichler, beraten hat. Ende März leitet Haydn eine Aufführung seines Oratoriums Il ritorno di Tobia im Wiener Hofburgtheater; für diese Aufführung komponiert er zwei Chöre hinzu. Haydns Frau Anna zieht möglicherweise in diesem Jahr nach Wien, in das Haus des mit Haydn befreundeten Johann Nepomuk Hamberger auf der Wasserkunstbastei. Haydn, der um 1782 eine Haushaltshilfe (Magdalena Behn) eingestellt hat, bleibt weiterhin im Musikerhaus in Eszterháza, wohnt aber bei seinen Aufenthalten in Wien in den Wintermonaten wohl bei seiner Frau. Bei Heinrich Philipp Carl Boßler in Speyer erscheinen drei Klaviersonaten (Hob. XVI:40–42) mit Widmung an Maria Josepha Hermenegild Esterházy, geb. Prinzessin Liechtenstein – möglicherweise als verspätetes Geschenk zu ihrer im Vorjahr gefeierten Hochzeit mit Prinz Nikolaus (dem späteren Fürst Nikolaus II.), dem Enkel des regierenden Fürsten. Um dem Verleger Forster trotz Zeitmangels drei bestellte Klaviertrios nach London senden zu können, reicht Haydn gemeinsam mit einem eigenen (Hob. XV:5) zwei Trios von Pleyel (Hob. XV:3 und 4) unter seinem Namen ein.
Im Kärntnertortheater in Wien wird am 18.12. eine deutsche Bearbeitung von La fedeltà premiata unter dem Titel Die belohnte Treue aufgeführt.
1785
Der Londoner Gazetteer & New Daily Advertiser klagt im Januar, Haydn, »who is the Shakespeare of music«, müsse am Hof eines elenden Fürsten aushalten, der ihn nicht zu würdigen wisse – und ruft ironisch dazu auf, ihn vor diesem Schicksal und seiner zänkischen Frau (»the clamourous temper of a scolding wife«, zit. nach Landon 2, S. 597) zu retten und nach England zubringen. Am 15.1. besucht Haydn Wolfgang Amadé Mozart in Wien und hört dessen sechs neue Streichquartette, die sogenannten »Haydn-Quartette« (KV 387, 421, 428, 458, 464 und 465), die dann im September mit Mozarts berühmtem Widmungsbrief an Haydn im Druck erscheinen. Am 11.2. wird Haydn in die zu dieser Zeit etwa 200 Mitglieder zählende Wiener Freimaurerloge »Zur wahren Eintracht« aufgenommen. In Paris führt der Erfolg seiner Sinfonien zu einem Auftrag der Société Olympique (einer der gleichnamigen Freimaurerloge angeschlossenen Konzertgesellschaft) über sechs neue Werke, dem Haydn 1785–1786 mit der Komposition der Pariser Sinfonien Hob. I:82–87 nachkommt.
1786
Mit den Sinfonien Hob. I:82, 84 und 86 vollendet Haydn die Folge der Pariser Sinfonien. Er beginnt mit der Arbeit an der Instrumentalmusik über die Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze, die ein Domherr aus Cadiz bei ihm in Auftrag gegeben hat. Auf Wunsch Artarias komponiert Haydn die drei Klaviertrios Hob. XV:6–8. Auch der Leipziger Verleger Christoph Gottlob Breitkopf wendet sich bei seinem Besuch in Wien im Dezember mit der Bitte um neue Stücke an Haydn und erhält 1789 eine Sonate in C-Dur (Hob. XVI: 48) als Eröffnungsstück für ein »Musikalisches Pot-Pourri«.
1787
Haydn komponiert die Sinfonien Hob. I:88 und 89 und übereignet sie Johann Tost, ehemals Geiger in Eszterháza, der sie bei Verlegern vermarktet. Ein bzw. zwei Jahre später überlässt Haydn ihm auch die Streichquartette op. 54/55 und 64 (bekannt als erste und zweite »Tost-Quartette«). Haydn verkauft die Sieben letzten Worte an Artaria, der sie sowohl in der Originalfassung als auch in einer von Haydn selbst stammenden Streichquartettfassung und in einem (von Haydn durchgesehenen) Klavierauszug veröffentlicht. Am 28.3. schickt Haydn dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. eine Abschrift der Pariser Sinfonien. Zum Dank erhält er einen Brillantring. Er revanchiert sich mit der Widmung der Streichquartette op. 50 (aus diesem Grund als die »Preußischen Quartette« bekannt), die im Dezember bei Artaria erscheinen. Eine für den Winter 1787/1788 geplante Reise nach Neapel entfällt aus unbekannten Gründen. Haydn wollte damit einer Einladung von König Ferdinand IV. nachkommen, für den er seit 1786 Werke für die von diesem gespielte Orgelleier (Lira organizzata) komponiert. Johann Elßler (1769–1843), ein Sohn des Esterházyschen Notenkopisten Joseph Elßler, wird in diesem oder einem der folgenden Jahre Haydns persönlicher Diener und Kopist. Zahlreiche Werke sind in Abschriften von seiner Hand überliefert.
1788
Haydn übersendet Anfang des Jahres drei der Pariser Sinfonien vertragsgemäß an einen Konzertveranstalter in London, das Professional Concert. Sie sind dort aber bereits bei Longman & Broderip erschienen – auf Vermittlung Artarias, jedoch ohne Wissen des Komponisten. Haydn schreibt am 28.2. eine Erklärung zu seiner Verteidigung, die von Londoner Zeitungen veröffentlicht wird. 1788-1789 komponiert Haydn für Graf d’Ogny die Sinfonien Hob. I:90–92, verkauft sie aber auch an Fürst Kraft Ernst von Oettingen-Wallerstein, der ebenfalls drei Sinfonien in Auftrag gegeben hatte.
1789
In diesem Jahr beginnt Haydns Korrespondenz mit Maria Anna von Gennzinger (Ehefrau des Esterházyschen Leibarztes Peter Leopold Edler von Gennzinger), eine aufschlussreiche Quelle zu Haydns Persönlichkeit. Haydn ist in den nächsten beiden Jahren regelmäßiger Gast der Familie und widmet der Hausherrin die Klaviersonate Es-Dur Hob. XVI:49. Mozart lädt Haydn zu einer Probe seiner neuen Oper Così fan tutte am 31.12. in seine Wohnung in Wien ein.
1790
Fürst Nikolaus I stirbt am 28.9. in Wien. Sein Sohn und Nachfolger, Fürst Anton Esterházy, löst umgehend die Hofkapelle auf. Haydn bleibt (neben dem Konzertmeister Luigi Tomasini) zwar im Amt, hat aber keine Dienstverpflichtungen mehr. Er zieht nach Wien zu seiner Frau. Eine Kapellmeisterstelle bei Fürst Anton Grassalkovics in Pressburg lehnt er ab; auch der erneuten Einladung Ferdinands IV. nach Neapel kommt er nicht nach. Stattdessen akzeptiert er ein äußerst lukratives Angebot von Johann Peter Salomon: Gegen ein Honorar von 5.000 Gulden verpflichtet er sich zur Komposition und Aufführung neuer Werke für eine Konzertreihe in den Hanover Square Rooms in London und einer neuen Oper für den Impresario Sir John Gallini im Londoner King’s Theatre. Nach einem Abschiedsessen mit Mozart bricht Haydn am 15.12. mit Salomon nach Großbritannien auf. Er macht Station in München, wo er Christian Cannabich trifft, bei Fürst Oettingen-Wallerstein auf dessen Schloss in Schwaben und in Bonn, wo er der Aufführung einer seiner Messen in der Schlosskapelle beiwohnt und von Kurfürst Maximilian Franz den Musikern der Hofkapelle vorgestellt wird. Zu dieser Kapelle gehört auch der junge Ludwig van Beethoven. Über Brüssel, Calais und Dover erreichen Haydn und Salomon am Neujahrstag 1791 England.
1791
Am 2.1. trifft Haydn in London ein, wo er nach einer Übernachtung bei dem Verleger John Bland in das Haus eines italienischen Kochs einzieht, der ihn täglich bewirtet. Charles Burney dichtet Verses on the arrival of the great musician Haydn, zahlreiche Zeitungen berichten über Haydns Ankunft. Er erhält so viele Besuche und Einladungen, dass er sich bald in das damals ländliche Lisson Grove bei Paddington zurückzieht. Am 18.1 ist er auf einem Geburtstagsball der Königin im St. James-Palast. Er lernt George Augustus Frederick, Prince of Wales (den späteren König George IV.), kennen und gibt bis in den April hinein in dessen Wohnsitz Carlton House 26 Konzerte. Sein Honorar von knapp 975 Gulden (£ 100) muss er allerdings aufgrund der hohen Verschuldung des Prinzen von einer Kommission des englischen Parlaments einfordern.
Zwischen dem 11.3. und dem 3.6. veranstaltet Salomon im für etwa 600 Zuhörer ausgelegten Konzertsaal der Hanover Square Rooms freitags um 20 Uhr zwölf Konzerte und zudem am 16. Mai ein Benefizkonzert für Haydn, welches diesem mit umgerechnet etwa 3.400 Gulden (£ 350) noch deutlich mehr als die zuvor von Salomon garantierte Summe (£ 200) einbringt. Für diese erste Konzertsaison komponiert Haydn zwei der zwölf Londoner Sinfonien (Hob. I:96 und 95). Die Konzerte bieten neben der Musik Haydns ein bunt gemischtes Programm, als Solisten treten die besten Virtuosen Londons auf. Das Publikum ist begeistert, oftmüssen einzelne Sätze von Haydns Sinfonien wiederholt werden. Zum Ende der ersten Konzertsaison hat Haydn trotz hoher Ausgaben einen beträchtlichen Überschuss erwirtschaftet. Er erbittet von seinem Dienstherrn Fürst Esterházy eine Verlängerung des Urlaubs um ein Jahr, die dieser am 21.8. ablehnt. Haydn bleibt dennoch in London, da er fünf Tage zuvor bereits gemeinsam mit Salomon im Morning Chronicle die zweite Konzertsaison angekündigt hat. Für das King’s Theatre komponiert er das Dramma per musica L’anima del filosofo ossia Orfeo ed Euridice. Die Einstudierung beginnt im Mai, obwohl die Oper noch nicht ganz fertiggestellt ist. Doch kommt es zu keiner Aufführung, da Gallini die dafür notwendige Lizenz nicht erhält. Immerhin kann er durchsetzen, dass zweimal pro Woche Konzerte und Ballette im King’s Theatre aufgeführt werden dürfen; Haydn nimmt daran teil. Er besucht auch eine Reihe von Konzerten und Opernaufführungen, so etwa das Concert of Ancient Music in der Tottenham Street oder die Professional Concerts William Cramers in den Hanover Square Rooms. Er erlebt begeistert die groß besetzten Aufführungen der Oratorien Georg Friedrich Händels anlässlich eines Händel-Fests in Westminster Abbey. Auf Betreiben Burneys wird Haydn am 8.7. die Ehrendoktorwürde der Universität Oxford verliehen. Im Rahmen der Feierlichkeiten dirigiert er im Oxforder Sheldonian Theatre eine Sinfonie, offenbar Hob. I:92, die später den Beinamen »Oxford« erhält. Im August und September verbringt Haydn fünf Wochen im Landhaus des Bankiers Nathaniel Brassey in Hertfordshire. Er komponiert Werke für die nächste Konzertsaison und unterrichtet die Tochter seines Gastgebers. Zu Haydns Londoner Schülerinnen zählt Rebecca Schroeter, Witwe des Musikers Johann Samuel Schroeter. Zwischen beiden entwickelt sich eine Liebesbeziehung; Haydn kopiert ihre Liebesbriefe eigenhändig in eines der von ihm in London geführten Notizbücher. Der Prince of Wales lässt Ende des Jahres von John Hoppner ein Porträt Joseph Haydns anfertigen. Haydn muss in einem Prozess, den die Londoner Verleger Forster und Longman & Broderip über Eigentumsrechte an seinen Werken gegeneinander führen, als Zeuge erscheinen. Für das mit Salomons Konzerten wetteifernde Professional Concert wird Ignaz Pleyel als Konkurrent engagiert. Haydn ist zunächst beunruhigt, zumal die Londoner Zeitungen die beiden Komponisten gegeneinander auszuspielen suchen. Doch erneuert Pleyel bei mehreren Treffen die Freundschaft mit seinem früheren Lehrer. Ende des Jahres erreicht Haydn die Nachricht vom Tod Mozarts, die ihn sehr erschüttert.
1792
Pleyel eröffnet das erste Professional Concert des Jahres mit einer Sinfonie Haydns und dieser das erste Konzert der Salomon-Reihe mit einer Sinfonie seines Schülers. Doch nimmt Haydn auch den freundschaftlichen Wettstreit an: Als Reaktion auf eine konzertante Sinfonie Pleyels komponiert er seine Sinfonia concertante Hob. I:105. Die zwölf Salomon-Konzerte der zweiten Saison unter Haydns Mitwirkung finden vom 17.2. bis zum 18.5. statt. Haydn führt neben in London noch unbekannten älteren Werken wie dem Klaviertrio Hob. XV:14 (unter Mitwirkung des damals 13-jährigen Johann Nepomuk Hummel) oder der Sinfonie Hob. I:91 zahlreiche neue Werke auf, so The storm und die Sinfonien Hob. I:93, 98, 94 (»mit dem Paukenschlag«) und 97. Haydn schreibt für den Verleger William Napier zu 100 schottischen Melodien eine Begleitung für Generalbass und Violine und für den Prince of Wales den Marsch Hob. VIII:3. Er wirkt in den Konzerten des Geigers François-Hippolyte Barthélemon (28.5.) und des Pianisten Johann Wilhelm Hässler (30.5.) mit und begleitet die Sängerin Gertrud Elisabeth Mara in einem Benefizkonzert am Klavier (1.6.). Er unternimmt Ausflüge in die Vauxhall Gardens, nach Windsor, zum Pferderennen nach Ascot (14.6.) und nach Slough (15.6.), wo er das Teleskop William Herschels besichtigt. Der berühmte Chirurg John Hunter (Ehemann der Dichterin Anne Hunter, von der Haydn Texte vertont) versucht erfolglos, Haydn zu einer Operation seines Nasenpolypen zu überreden. Am 10.4. kündigt Haydn Fürst Anton Esterházy seine Rückkehr und die Wiederaufnahme des Dienstes an. Der Fürst nimmt als kurböhmischer Botschafter an der Wahl (5.7.) und Krönung (14.7.) von Franz II. zum deutschen Kaiser in Frankfurt teil. Er verlangt, dass sein Kapellmeister rechtzeitig dort eintrifft. Ob Haydn dem Wunsch nachkommt, ist unsicher: Fürst Anton kommt am 25.6. in Frankfurt an, Haydn reist aber wohl erst nach dem 2.7. aus London ab. Jedenfalls ist Fürst Anton noch lange nach Haydns Ankunft in Wien am 24.7. verstimmt. Haydn hat auf der Rückreise noch einmal in Bonn Station gemacht und dort mit Nikolaus Simrock, Mitglied der Hofkapelle und Verleger, Pläne zu einer Ausgabe seiner Sinfonien besprochen. Beethoven kommt, was wohl in Bonn verabredet wurde, im November als Haydns Schüler nach Wien. Welche Aufgaben Haydn in den nächsten Monaten als Esterházyscher Kapellmeister wahrnimmt, ist unklar. Anscheinend reist er nicht nach Eisenstadt, sondern zieht abermals in die Wohnung seiner Frau nach Wien. Im Oktober nimmt er Pietro Polzelli, den ältesten Sohn seiner ehemaligen Geliebten, als Schüler in seinen Haushalt auf. An neuen Kompositionen entstehen in der zweiten Jahreshälfte offenbar nur je zwölf Menuette und Deutsche Tänze (Hob. IX:11 und 12), die am 25.11. in den Redoutensälen der Wiener Hofburg bei einem Ball der Pensionsgesellschaft bildender Künstler aufgeführt werden.
1793
Haydn verbringt die meiste Zeit des Jahres in Wien; er komponiert die f-Moll-Variationen für Klavier (Hob. XVII:6), die Sinfonie Hob. I:99 sowie einzelne Sätze von Hob. I:100 und 101 (jeweils schon im Hinblick auf die nächste Reise nach London). Im Auftrag des Grafen Anton Apponyient stehen die Streichquartette op. 71/74 ( »Apponyi-Quartette«). Im März wird im Palais Dietrichstein in Wien gemeinsam mit Händels Alexanderfest ein neuer großer Chor Haydns aufgeführt, offenbar Der Sturm, die deutsche Fassung von The storm. Haydn gibt am 12.3. ein Konzert bei Fürst Franz Joseph Maximilian Lobkowitz und dirigiert am 15.3. im kleinen Redoutensaal drei der Londoner Sinfonien. Von Mai bis spätestens Ende Juli und erneut Anfang September hält er sich in Eisenstadt auf. Vor seiner Abreise nach England dirigiert er in den Weihnachtskonzerten der Wiener Tonkünstler-Societät im alten Hofburgtheater am 22. und 23.12. abermals den Sturm und drei der Londoner Sinfonien.
1794
Am 19.1. bricht Haydn in Begleitung von Johann Elßler zu seiner zweiten Reise nach England auf. Bei einem Zwischenaufenthalt in Passau (oder erst 1795 auf der Rückreise?) hört er eine Bearbeitung seiner Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze mit Singstimmen von Joseph Friberth. Am 4. Februar trifft er in London ein und bezieht in Nr. 1, Bury Street, St. James, eine Wohnung ganz in der Nähe von Rebecca Schroeter. Am 22.1. stirbt Fürst Anton Esterházy; Nachfolger wird sein Sohn Nikolaus II. Esterházy. Er lässt Haydn mitteilen, dass er die Hofkapelle unter seiner Leitung wieder einrichten lassen will. Die Saison der Salomon-Konzerte dauert vom 10.2. bis zum 12.5., Haydn bringt die Sinfonien Hob. I:99, 101 ( »Die Uhr«) und 100 ( »Militär-Sinfonie«) zur Uraufführung. Am 2. und 28.5. geben Haydn und Salomon ihr jeweiliges Benefizkonzert. Auch in Konzerten anderer Künstler wirkt Haydn mit, so am 21.3. bei den Geschwistern Abrams, am 19.5. bei der Pianistin und Sopranistin Maria Hester Parke, am 26.5. beim Geiger Barthélemon und schließlich am 2.6. beim Bassisten Ludwig Fischer. Am 16.5. ist Haydn Trauzeuge bei der Hochzeit der Pianistin Therese Jansen (für die Haydn 1794/1795 die Klaviersonaten Hob. XVI:50 und 52 sowie die Klaviertrios Hob. XV:27–29 geschrieben hat) mit Gaetano Bartolozzi. Vom 9.7 bis zum 15.7. reist Haydn nach Hampton Court, nach Portsmouth, auf die Isle of Wight, nach Newport, Southampton, Winchester und Farnham. Im August fährt er mit dem Flötisten Andrew Ashe und dem Gesangslehrer und Komponisten Giambattista Cimador nach Bath, wo er einige Tage im Sommerhaus des Kastraten Venanzio Rauzzini verbringt; für Rauzzini (und zur Erinnerung an dessen Hund) schreibt er den Kanon »Turk was a faithful dog, and not a man« (Hob. XXVIIb:45). In Bath trifft Haydn den Arzt Dr. Henry Harrington, auf dessen Lobgedicht »What art expresses« er mit der Komposition Dr. Harrington’s Compliment Hob. XXVIb:3) reagiert. Am 6.8. besucht Haydn Bristol, am 26.8. besichtigt er auf Einladung von Sir Charles Rich die Ruinen von Waverley Abbey in Surrey. Mit Lord Abingdon besucht er Sir Willoughby Aston in dessen Haus in Preston, Hertfordshire; er komponiert für jeden der beiden ein Trio für zwei Flöten und Violoncello (Hob. IV:2 und 1).
1795
Haydn gibt am 1.2. im Hause von Frederick Augustus, Duke of York, ein Konzert. Er wird vom Prince of Wales König George III. vorgestellt. Zwei Tage später ist das Königspaar bei einem Konzert in Carlton House erneut unter Haydns Zuhörern. Salomon kann wegen der politischen Lage in Europa keine bedeutenden Gesangssolisten vom Kontinent mehr verpflichten und gibt seine Konzertreihe auf. Am 2.1. startet Giovanni Battista Viotti im Konzertsaal des King’s Theatre eine neue Serie unter dem Titel »Opera Concerts«, in der Sänger der Londoner italienischen Oper auftreten. Das Orchester mit Wilhelm Cramer als Konzertmeister besteht aus 60 Musikern; als Instrumentalsolisten wirken u.a. Viotti, Salomon und der Kontrabassist Domenico Dragonetti mit. In dieser Reihe bringt Haydn seine drei letzten Londoner Sinfonien zur Uraufführung (Hob. I:102–104); für sein letztes Londoner Benefizkonzert am 4.5., das ihm 4.000 Gulden einbringt, komponiert er die Scena di Berenice (Hob. XXIVa:10) für die Sopranistin Brigida Giorgi Banti. Haydn wirkt an weiteren Konzerten mit: Beim New Musical Fund (20.4.), bei Wilhelm Cramer (1.5.), der Sopranistin Sophia Corri, verheiratete Dussek (29.5.), dem Violinisten John Hindmarsh (3.6.) sowie dem Flötisten Ashe (8.6.). Als Zuhörer erlebt er ein Konzert der Sopranistin Gertrud Elisabeth Mara, Opern von Francesco Bianchi und Martin y Soler sowie die Aufführung von Salomons Oper Windsor Castle anlässlich der Vermählung des Prince of Wales. Haydn komponiert die Klaviertrios Hob. XV:21–23, die beim Londoner Verlag Thomas Preston mit Widmung an Fürstin Maria Josepha Hermenegild Esterházy, und Hob. XV:24–26, die bei Longman & Broderip mit einer Widmung an Rebecca Schroeter erscheinen. Es entstehen die zwei Serien zu je sechs englischen Canzonettas, u.a. auf Gedichte von Anne Hunter, und weitere 50 Volksliedbearbeitungen für Napier. Das Königspaar lädt Haydn ein, für immer in England zu bleiben, er lehnt dies jedoch ab und tritt am 15.8. die Heimreise an. Sie führt ihn über Hamburg (wo er die Tochter von Carl Philipp Emanuel Bach aufsucht) und Dresden. In Wien bezieht Haydn eine Wohnung im Hause des Obsthändlers und Hoflieferanten Pichler am Neuen Markt. Im September nimmt er seinen aktiven Dienst für das Fürstenhaus Esterházy wieder auf. Am 18.12. tritt Haydn gemeinsam mit Beethoven im kleinen Redoutensaal in Wien auf, er dirigiert drei der Londoner Sinfonien, Beethoven führt ein eigenes Klavierkonzert auf (vermutlich das in B-Dur op. 19).
1796
Beethoven und Haydn musizieren am 8.1. erneut gemeinsam im kleinen Redoutensaal, diesmal in einem Benefizkonzert der Altistin Maria Bolla. Am 26. und 27.3. finden im Palais des Fürsten Joseph Johann Nepomuk Schwarzenberg am Neuen Markt in Wien die ersten Aufführungen der Vokalfassung der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze statt, die Haydn auf Grundlage des Arrangements von Friberth erstellt hat. Finanziert werden die Konzerte von der Gesellschaft der Associierten Cavaliere, einer Gruppe adliger Wiener Musikliebhaber. Als deren Geschäftsführer fungiert Gottfried van Swieten, der auch den Text des Oratoriums bearbeitet. Haydns (nahezu einzige) Aufgabe für den Esterházyschen Hof ist die alljährliche Komposition einer Messe zur Aufführung in Eisenstadt (wohin die Hofhaltung inzwischen wieder zurückverlegt worden ist) an Mariä Namen, einem damals noch beweglichen Fest, das jeweils am Sonntag nach Mariä Geburt (8.9., Namenstag der Fürstin Maria Hermenegild) gefeiert wurde. Der Feiertag Mariä Namen war 1683 anlässlich der Befreiung Wiens von der türkischen Belagerung geschaffen worden und hatte im Zeitalter der Napoleonischen Kriege eine neue politische Bedeutung gewonnen. Haydn verbringt in den kommenden Jahren jeweils einige Monate im Sommer und Herbst in Eisenstadt. 1796 entsteht neben der für Eisenstadt bestimmten »Heiligmesse« auch die Missa in tempore belli, die »Paukenmesse«. Sie ist angeblich zur Primiz des Ordenspriesters Joseph Hoffmann von dessen Eltern in Auftrag gegeben und erklingt erstmals am 26.12. in der Wiener Piaristenkirche Maria Treu. Haydn schreibt für die von Anton Weidinger erfundene Klappentrompete das Trompetenkonzert in Es-Dur. Offenbar ganz ohne Auftrag entstehen die Mehrstimmigen Gesänge.
1797
Haydn zieht mit seiner Frau in die Wiener Vorstadt Windmühle, Pfarre Gumpendorf. Er hat dort bereits vier Jahre zuvor auf Anregung seiner Frau das Haus Kleine Steingasse Nr. 71 erworben und aufwändig umbauen lassen. Während der Sommer- und Herbstmonate wohnt er ab diesem Jahr anscheinend im Eisenstädter Schloss, da Fürst Nikolaus II. ihn im August mit verschiedenen Möbeln aus einem Esterházyschen Palais ausstatten lässt. Der niederösterreichische Regierungspräsident Franz Joseph Graf von Saurau beauftragt Lorenz Leopold Haschka mit dem Verfassen eines patriotischen Pendants zur englischen Hymne »God save the King« und Joseph Haydn mit der Vertonung. Das von Haydn selbst als »Volkslied« bezeichnete »Gott erhalte Franz den Kaiser« erklingt erstmals am Geburtstag des Kaisers (12.2.) in dessen Anwesenheit im Hofburgtheater. Haydn verwendet die Melodie noch im selben Jahr als Variationsthema im dritten der für Graf Joseph Erdődy komponierten sechs Streichquartette op. 76 (»Erdődy-Quartette«). Dieses »Kaiserquartett« erklingt am 28.9. bei einem Konzert zum Besuch des ungarischen Palatins im Eisenstädter Schloss. Haydn komponiert Die Schöpfung auf ein Libretto, das er aus England mitgebracht hat, und das von van Swieten bearbeitet wird. Für Eisenstadt schreibt er keine neue Messe, sondern führt am 29.9. die Missa in tempore belli von 1796 auf.
1798
Am 1. und 2.4. veranstaltet die Tonkünstler-Societät im alten Hofburgtheater in Wien die ersten öffentlichen Aufführungen der Vokalfassung der Sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze. Haydn stellt die Schöpfung fertig und dirigiert die Uraufführung am 30.4. im Palais Schwarzenberg vor geladenen Gästen; sie wird ein sensationeller Erfolg. Bis zur ersten öffentlichen Aufführung vergeht noch fast ein Jahr. Für Eisenstadt komponiert Haydn die Missa in angustiis, die »Nelsonmesse«. 1798/1799 wird er zum Mitglied der königlich schwedischen Akademie der Musik ernannt.
1799
Am 19.3. findet die erste öffentliche Aufführung der Schöpfung mit 200 Mitwirkenden im Hofburgtheater statt; am 22. und 23.12. dirigiert Haydn das Werk hier abermals für die Tonkünstler-Societät. Der große Erfolg veranlasst van Swieten und Haydn zu einem weiteren Projekt, den Jahreszeiten. Am 25.5.1799 sucht Georg August Griesinger als Mittelsmann für den Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel erstmals Haydn auf. Auf Basis regelmäßiger Treffen über mehrere Jahre hin wird er 1810 Biograpische Notizen über Joseph Haydn veröffentlichen. Als neue Messe für Eisenstadt entsteht die »Theresienmesse«, die dort wahrscheinlich am 8.9. uraufgeführt wird. Von einer für Fürst Lobkowitz bestimmten Serie von Streichquartetten kann Haydn nur noch zwei Werke vollenden (op. 77; »Lobkowitz-Quartette«). Im November 1799 nimmt George Thomson Kontakt zu Haydn auf und bittet ihn um Bearbeitungen schottischer Volkslieder. Bis 1804 liefert Haydn über 200 Lieder, einige davon lässt er allerdings (wegen Arbeitsüberlastung oder wegen seiner zunehmenden Altersschwäche) von seinem Schüler Sigismund Neukomm schreiben.
1800
Haydn veröffentlicht die Schöpfung in Wien im Selbstverlag. Sie wird bald in vielen europäischen Städten aufgeführt. Am 8.3. dirigiert Haydn das Oratorium im königlichen Schloss in Ofen (Buda); dies ist seine einzige größere Reise in den letzten Jahren. Am 20.3. stirbt Maria Anna Haydn während einer Kur in Baden bei Wien. Haydns Gesundheitszustand verschlechtert sich, was er der anstrengenden Arbeit an den Jahreszeiten zuschreibt. Auch nachdem er sich von einem »rheumatischen Kopffieber« erholt hat, bleibt sein Zustand labil. In diesem Jahr entsteht keine neue Messe. Anlässlich des dreitägigen Besuchs von Lord Horatio Nelson in Eisenstadt (6.–9.9.) wird aber wahrscheinlich die zwei Jahre zuvor komponierte Missa in angustiis, die »Nelsonmesse«, aufgeführt. Den Admiral begleiten seine Geliebte, Lady Emma Hamilton, ihr Ehemann, der britische Gesandte Sir William Hamilton, und Ellis Cornelia Knight. Diese hat eine pindarische Ode (»The Battle of the Nile«) auf Nelsons Sieg bei Abukir verfasst, von der Haydn einige Strophen vertont. Bei einem Jagdaufenthalt des Erzherzogs Joseph und der Erzherzogin Alexandra Pawlowna in Eszterháza leitet Haydn am 31.10. ein Konzert; zweiweitere Konzerte dirigiert er am 11. und 12.12. im Eisenstädter Schloss anlässlich eines Besuchs der Kaiserfamilie. Am 24.12. findet im großen Opernhaus die erste Aufführung der Schöpfung in Paris statt. Unter den über 1400 Zuhörern befindet sich auch Napoleon Bonaparte, der auf der Fahrt zum Opernhaus nur knapp einem Sprengstoffattentat entgeht. Die an der Aufführung beteiligten Musiker senden Haydn später eine große goldene Ehrenmedaille mit seinem Porträt.
Die Philharmonische Gesellschaft in Laibach (Ljubljana) ernennt Haydn zum Mitglied.
1801
Am 16.1. dirigiert Haydn die Schöpfung in einer Aufführung zugunsten der in der Schlacht bei Hohenlinden (3.12.1800) verwundeten österreichischen Soldaten. Die hohen Einnahmen, welche er mit den Aufführungen seiner Oratorien erzielt, kommen oftmals wohltätigen Zwecken und Einrichtungen zugute. Haydn dirigiert am 24.4. die Uraufführung der Jahreszeiten im Palais Schwarzenberg, weitere Aufführungen folgen am 27.4. und 1.5. Am 24.5.führt er das Werk am Kaiserhof auf, wobei die Kaiserin (Maria Theresia) die Sopranpartie singt. Öffentlich erklingen die Jahreszeiten erstmals in einem Benefizkonzert für den Komponisten am 29.5. im großen Redoutensaal; groß besetzte Aufführungen mit über 200 Mitwirkenden dirigiert Haydn am 22. und 23.12. im Hofburgtheater. Am 5.5. verfasst Haydn sein erstes Testament, das er später noch an vielen Stellen korrigiert. Am 13.9. führt er die »Schöpfungsmesse« in Eisenstadt auf. Er wird zum Ehrenmitglied der Amsterdamer Maatschappij Felix Meritis ernannt und von der Vollversammlung des Institut National de France zum auswärtigen Mitglied der Klasse der Schönen Künste gewählt.
1802
Im Januar beginnt Haydn mit der Komposition seiner letzten Messe, der »Harmoniemesse«, die am 8.9. erstmals in der Eisenstädter Bergkirche erklingt. Nach der Uraufführung veranstaltet das Fürstenpaar im Eisenstädter Schloss ein opulentes Diner mit Haydn als Gast. Seiner schwachen Gesundheit wegen muss er eine geplante Konzertreise durch Deutschland und nach Paris absagen, obgleich ihm das Pariser Concert des Amateurs bereits die Auslagen für die Reise hat zukommen lassen. Der Verleger William Whyte bittet Haydn ebenfalls um Bearbeitung schottischer Lieder. Haydn liefert ihm 65 Lieder, von denen wiederum einige von Neukomm stammen. Die Originalausgabe der Jahreszeiten erscheint bei Breitkopf & Härtel in Leipzig. Bei diesem Verlag erscheinen in dieser Zeit eine Reihe von Vokalwerken Haydns, außerdem nimmt man dort eine Gesamtausgabe der Klaviermusik in Angriff.
1803
Aufgrund zunehmender Altersschwäche komponiert Haydn nur noch wenig. Von seinem letzten Streichquartett (ursprünglich als weiteres Werk des op. 77 gedacht) kann er nur noch den 2. und 3. Satz vollenden. Pläne für ein weiteres Oratorium muss er – zumal nach dem Tod Gottfried van Swietens am 29.3. – fallen lassen. Im August reist er noch einmal nach Eisenstadt, um dort Fürst Nikolaus II. nach dessen monatelangem Aufenthalt in Paris willkommen zu heißen. Am 26.12. tritt er bei einer Aufführung der Sieben letzten Worte im Redoutensaal in Wien zum letzten Mal als Dirigent auf. Die Stadt Wien verleiht Haydn die zwölffache goldene Bürgermedaille (Salvatormedaille).
1804
Offiziell behält Haydn sein Amt als Kapellmeister des Fürsten Esterházy, tatsächlich leiten jedoch Johann Nepomuk Fuchs und der neu eingestellte Konzertmeister Johann Nepomuk Hummel die Kapelle. Hummel dirigiert am 30.9. anstelle von Haydn die erste Aufführung der Schöpfung in Eisenstadt. Seinen Ruhestand verbringt Haydn in Gesellschaft seiner Großnichte Ernestine Loder (eigentlich Luegmayer), seines Dieners Johann Elßler und weiteren Personals in Wien. Hier empfängt er viele Besucher. Er wird Ehrenbürger der Stadt Wien. Ende des Jahres verbreitet sich das Gerücht von Haydns Tod. In Turin wird am 27.12. eine Aufführung der Oper Armida zu seinem Gedenken veranstaltet.
1805
In London veröffentlicht das Gentleman’s Magazine im Januar einen Nachruf auf Haydn; in Paris schreibt Luigi Cherubini eine Trauerkantate Chant sur la mort de Joseph Haydn, Rodolphe Kreutzer komponiert ein Violinkonzert über Themen von Haydn für ein Gedächtniskonzert. Auch George Thomson hat davon erfahren. Haydn schickt ihm das Autograph des Liedes »The blue bell of Scotland« (Hob. XXXIa:176), um zu zeigen, dass er noch lebt. Am 15.4. besucht der Maler Albert Christoph Dies erstmals Haydn. Bei mehreren weiteren Besuchen sammelt er Material für eine Biographie, die er 1810 als Biographische Nachrichten von Joseph Haydn veröffentlicht. Am 10.5. stirbt Haydns jüngster Bruder Johann Evangelist in Eisenstadt. Haydn ordnet sein musikalisches Vermächtnis. Er lässt von Elßler ein Verzeichnis seiner Werke (Haydn-Verzeichnis) und seiner musikalischen Bibliothek anlegen.
1806
Haydn lässt eine Visitenkarte drucken, auf der er einen der Mehrstimmigen Gesänge zitiert, »Der Greis« auf ein Gedicht von Johann Wilhelm Ludwig Gleim: »Hin ist alle meine Kraft, alt und schwach bin ich«. Die Visitenkarte wird bei der Veröffentlichung des bereits drei Jahre zuvor begonnenen, unvollendeten Streichquartetts op. 103 durch Breitkopf & Härtel mit abgedruckt. Am 10.8. stirbt Haydns Bruder Johann Michael in Salzburg. Obgleich Haydn seine Aufgaben als Esterházyscher Kapellmeister nicht mehr wahrnehmen kann, erhöht Fürst Nikolaus II. seine Bezüge ab November um 600 auf 2.300 Gulden pro Jahr; ab 1808 übernimmt der Hof auch die beträchtlichen Kosten für Haydns Medikamente und Arztbesuche.
1807
Haydn wird zum Mitglied der Pariser Société académique des enfants d’Apollon ernannt und erhält eine goldene Ehrenmedaille.
1808
Am 27.3., wenige Tage vor Haydns 76. Geburtstag, dirigiert Antonio Salieri in der Aula der Wiener Universität eine italienischsprachige Aufführung der Schöpfung zu Ehren des Komponisten. Dieser wird unter dem Jubel der Menge in den Konzertsaal getragen. Die Fürstin Esterházy beauftragt den Maler Balthasar Wigand, das Ereignis - es ist Haydns letzter Auftritt in der Öffentlichkeit – in einer Miniatur festzuhalten, die sie, auf eine kostbare Schatulle montiert, Haydn zum Geschenk macht.
1809
Haydn unterzeichnet am 7.2. sein endgültiges Testament. Er setzt seinen einzigen überlebenden Neffen Mathias Fröhlich zum Universalerben ein. Neben Verwandten bedenkt er zudem seine Hausangestellten und zahlreiche weitere Personen, darunter Fürst Esterházy, seine ehemalige Geliebte Luigia Polzelli und Waisenkinder seines Geburtsortes Rohrau. Am 13.5. wird Wien von französischen Truppen eingenommen, Haydns Gesundheitszustand verschlechtert sich in dieser Zeit rapide. Während der Belagerung spielt er immer wieder die Kaiserhymne auf dem Klavier. Am 31.5. »früh morgens fünf Minutten vor ein Viertel auf ein Uhr« (Brief von Elßler an Griesinger, Pohl 3, S. 387) stirbt Joseph Haydn, laut amtlichem Protokoll an »Entkräftung«. Elßler nimmt die Totenmaske ab. Am 1.6. wird Haydn auf dem Hundsturmer Friedhof beigesetzt, am nächsten Tag hält man in der Pfarrkirche St. Ägyd in Gumpendorf das Requiem, für das man eine Vertonung Michael Haydns ausgewählt hat. Zwei Wochen nach der Beisetzung wird in der Wiener Schottenkirche unter großer Anteilnahme ein »Trauerfest« ausgerichtet, bei dem Mozarts Requiem zur Aufführung kommt. Joseph Carl Rosenbaum, ehemaliger Sekretär des Fürsten Esterházy, lässt Haydns Kopf für Untersuchungen nach der Schädellehre von Franz Joseph Gall aus dem Grab entfernen. Erst 1954 wird der Schädel wieder mit den übrigen sterblichen Resten zusammengeführt.
1810
Haydns Haus, seine Bücher und andere Gegenstände werden am 27.2. versteigert. Zusammen mit seinem Barvermögen wird der Nachlass auf einen Wert von mehr als 60.000 Gulden geschätzt, womit Haydn zu den wohlhabendsten Bürgern Wiens zählte.